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Ein Märtyrer aus Zeitz

Sein Leben endete in den Gaskammern von Auschwitz

Siegfried Fürst, ein Märtyrer aus Zeitz

Köln / Zeitz - Die meisten Zeitzeugen, die Siegfried Fürst noch gekannt haben, leben nicht mehr. Sein Lebensbild mußte weitgehend aus schriftlich festgehaltenen Erinnerungen, Archiven und Adressbüchern mühevoll rekonstruiert werden: 1889 wurde der Sohn jüdischer Eltern in Hamburg geboren. Über seine Kindheit und Jugend wissen wir so gut wie nichts. In den Hamburger Adreßbüchern findet sich der Eintrag, Fürst sei Verlagsangestellter gewesen. Im Alter von 22 Jahren verließ er seine Heimatstadt und suchte sie wohl später nie mehr auf. In Zeitz ließ er sich nieder. Als seine Berufsangabe fand sich nun die Bezeichnung Kaufmann. Eine Zeitzeugin sagte, er sei zusätzlich Vertreter gewesen. Den Angaben des früheren katholischen Pfarrers von Zeitz, Klemens Wittelsbach, zufolge war Siegfried Fürst ein außergewöhnlich begabter Mensch, geistvoll und edel in seiner Gesinnung, der in der Gesellschaft eine geachtete Stellung bekleidete. Im Kulturleben der Stadt sah man in der Zeit der Weimarer Republik seine Mitwirkung gerne. In der Literatur war er sehr bewandert. Am meisten lag ihm der 1875 in Prag geborene Dichter Rainer Maria Rilke.

Fürst verstand es, als Rezitator sich in das seelische Empfinden von Dichtern hineinzuversetzen, und vermochte seine Zuhörer durch seine eindrucksvolle Gestik und Mimik mitzureißen. Darüber hinaus ragte er durch seine Kenntnis zahlreicher Fremdsprachen hervor. Er beherrschte ein paar Dutzend Sprachen mit ihren Idiomen.

Mitten in der Zeit der Weimarer Republik, im Jahre 1926, fällte Siegfried Fürst seine alles verändernde Lebensentscheidung: Er fühlte sich vom Christentum je länger je mehr so sehr angezogen, daß er sich entschloß, selber Christ zu werden. Er verließ die jüdische Religionsgemeinschaft und konvertierte zur römisch-katholischen Kirche. Über die Motivation wie über die Umstände seines Entschlusses liegen keine Unterlagen vor. Aber das Wort des Fischers Andreas aus Betsaida am See Genesaret an seinen Bruder Simon hatte ihn offensichtlich getroffen: "Wir haben den Messias gefunden" (Joh 1,41). Diese Überzeugung war in dem späteren Apostel so stark, daß sie in Simon neugierige Bereitschaft weckte, diesen Jesus von Nazaret kennenzulernen.

Siegfried Fürst war und blieb Laie. Er hatte Margarete Rolle geheiratet, die 1897 in Zeitz geboren worden war. Aus dieser Ehe ging der Sohn Rainer Maria hervor, der später seine Braut Ruth heiratete. Das Ehepaar ist bereits verstorben und konnte daher nicht mehr als Zeitzeugen konsultiert werden.

Als Adolf Hitler 1933 an die Macht kam, wurde Fürst mit der stetig steigenden Welle des Antisemitismus mehr und mehr durch die von der Partei abhängigen Menschen isoliert. Während die meisten Zeitzer Juden Anfang bis Mitte der Dreißiger Jahre auswanderten, suchte Fürst bei der katholischen Kirche, die ihm zur Heimat geworden war, Zuflucht. Diese wurde ihm ebenso großzügig wie dauerhaft im Pfarrhaus von Zeitz gewährt, wo er zugleich den Ausgleich zu den aufreibenden und quälenden Spannungen der Nazidiktatur fand. Der Geistliche Rat Wittelsbach beschrieb in seinem Artikel "Siegfried Fürst kam in den Gaskammern von Auschwitz um", der in Bischof Johannes Brauns Buch "Gelebter Glaube. Ein Magdeburger Heiligenbuch" erschienen ist, die damalige prekäre Lage des Konvertiten in vornehmer Zurückhaltung, aber doch so, daß am Wahrheitsgehalt der gemachten Aussagen keinerlei Zweifel besteht. Dort heißt es über Fürst: "Am Morgen nach der Kristallnacht 1938 wurde er verhaftet und nach Halle und von dort nach Buchenwald geschleppt." Entsprechende Rückfragen in den Halleschen Archiven und bei der Gedenkstätte Buchenwald blieben allerdings ergebnislos. Pfarrer Wittelsbach schrieb weiter über Fürst: "Er hatte eine Veranlagung zum Zweiten Gesicht. Ein Traum während der ersten Nacht im Lager ließ in ihm die Überzeugung reifen, daß er nach etwa sechs Wochen wieder in Freiheit sein würde.

Inzwischen mußte das Pfarramt durch den Raphaelsverein in Hamburg und das Bischöfliche Komitee der holländischen und belgischen Bischöfe ein Visum beschaffen, um die Ausreise nach Holland zu ermöglichen. Nach emsigen Bemühungen traf das Dokument mit Fotokopie ein. Der Gestapo wurde nur die Kopie zur Verfügung gestellt. Am 23. Dezember traf der Verfolgte in erbarmungswürdigem Zustand im Pfarrhaus ein. Alle seine Kleidungsstücke mußten verbrannt werden." Fürsts Vision hatte sich also bewahrheitet. Im katholischen Pfarrhaus in Zeitz wußte er sich geborgen und geschützt. Die Erfahrungen vom Konzentrationslager Buchenwald saßen freilich tief: "Das Erleben der sechs Wochen war unter der Willkür der SS-Untermenschen so schrecklich, daß es nicht geschildert werden kann", heißt es bei Wittelsbach. Fürst mußte überdies seine Wohnung bis zum 1. Januar 1939 räumen, so daß das Pfarrhaus während der Weihnachtszeit nun auch sein Domizil wurde. Doch es sollte nur eine kurze Frist werden, stand doch für Fürst fest, daß er, der Katholik jüdischer Abstammung, keine dauerhafte Bleibe in Zeitz mehr haben würde.

Am 26. Dezember ging die Fahrt unbemerkt von der SS vor sich. Spätere Fragen lassen die Vermutung zu, daß Fürst schon damals nicht in Rotterdam angekommen war. Fürsts Gattin mußte sich 1939 in das Luxemburgische Exil begeben; sie überlebte den zweiten Weltkrieg und kehrte danach nach Zeitz zurück. Von ihr stammt das Gedicht "Mahnmal", wo es unter anderem heißt:

Höre Volk des Mahnmals Weheschrei! - fremd sei Euch ewig Rassenwahn und Barbarei!

Es stehe das Gesetz der Liebe Euch ins Herz geschrieben.

Überdies wußte Pfarrer Wittelsbach zu berichten, daß Papst Pius XII. sich dieses Verfolgten persönlich angenommen hat. Damals bestätigte sich allen Kritikern zum Trotz aufs neue, was dieser weitsichtige Papst alles in seiner Kraft Stehende unternommen hat, um den verfolgten Juden zu helfen.

Diese Tatsache bestätigte der Frankfurter Religionsphilosoph Pinchas Lapide, wenn er in seiner Monographie "Rom und die Juden" folgendes festhielt: "Die katholische Kirche ermöglichte unter dem Pontifikat von Pius XII. die Rettung von mindestens 700 000, wahrscheinlich aber sogar von 860 000 Juden vor dem gewissen Tod von den Händen des Nationalsozialismus.

Diese Zahlen, so klein sie auch im Vergleich zu unsern sechs Millionen Märtyrern sind, deren Schicksal jenseits jeden Trostes liegen, übersteigen bei weitem die der von allen anderen Kirchen, religiösen Einrichtungen und Hilfsorganisationen zusammengenommen."

Dazu nochmals Pfarrer Wittelsbach in Sachen Fürst: "Die Weiterreise nach Südamerika wurde erst durch persönliche Intervention des Heiligen Vaters, Papst Pius' XII., für den 11. Mai 1940 möglich. Da am Tage vorher der Überfall der deutschen Wehrmacht erfolgte, lief das Schiff nicht mehr aus dem Hafen von Antwerpen aus. Die letzte Nachricht von Siegfried Fürst kam aus Rochefort in Belgien. Dann wurde auch er ein Opfer der SS." In den Gaskammern des Konzentrationslagers Auschwitz fand das Leben des konvertierten Katholiken sein schreckliches Ende.

Ohne jeden Zweifel ist Siegfried Fürst in Bischof Brauns Heiligenbuch dort als katholischer Märtyrer unter Hitlers Terror aufgeführt. Eingerahmt von den drei in Halle hingerichteten Märtyrern Carl Lampert, Friedrich Lorenz und Herbert Simoleit sowie von Pfarrer Willy Oberhaus aus dem Erzbistum Paderborn, wird Fürst als katholischer Blutzeuge jüdischer Herkunft vorgestellt. Beide Faktoren dürfen deshalb nicht auseinandergerissen werden: Fürst war und blieb Sohn des jüdischen Volkes, fand aber in der katholischen Kirche seine Erfüllung.

Helmut Moll / tdh

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Für ihren Glauben von den Nazis ermordet

Märtyrer aus Ostdeutschland

Köln (tdh) - In den ostdeutschen Bistümern ist Prälat Moll bisher auf folgende Märtyrer der NS-Zeit gestoßen: Erfurt: der Eichsfelder Zentrums-Abgeordnete Heinrich Huschenbeth, das Erfurter Quickborn- und Kreuzbund-Mitglied Alois Nortmann, Pfarrer Franz-Josef Beier, Pfarrer Franz Isecke.

Dresden-Meißen: die sorbische Lehrerin Maria Grollmuß, Kaplan Aloys Andritzki, Pfarrer Alois Scholze, Diözesanjugendseelsorger Dr. Bernhard Wensch.

Magdeburg: Siegfried Fürst.

Görlitz: niemand.

Berlin: 20 Märtyrer.

Hamburg: Pfarrer Dr. Dr. Bernhard Schwentner.

Wer Märtyrer der NS-Zeit gekannt hat oder schriftliche Unterlagen über sie besitzt, kann sich wenden an die Redaktion Tag des Herrn, Postfach 260128 in 04139 Leipzig oder direkt an die Beauftragten der einzelnen Bistümer für das Martyrologium: Dompfarrer Dr. Reinhard Hauke in Erfurt, Dr. Siegfried Seifert in Dresden, Pfarrer Ludwig Stegl in Magdeburg, Prälat Peter C. Birkner in Görlitz.

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Stichwort

Martyrologium

Papst Johannes Paul II. verfügte in seinem Apostolischen Schreiben "Tertio millennio adveniente" vom 10. November 1994, im Blick auf das herannahende Jubiläumsjahr 2000 geeignete Vorbereitungen zu treffen, um das Martyrologium des 20. Jahrhunderts "auf den heutigen Stand zu bringen". Zur Hinführung auf das Heilige Jahr rief der Heilige Vater die Ortskirchen auf, alles zu unternehmen, um durch "das Anlegen der notwendigen Dokumentation die Erinnerung an diejenigen nicht zu verlieren, die das Martyrium erlitten haben". Als Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz ist der Kölner Prälat Dr. Helmut Moll seit zwei Jahren damit beschäftigt, die Blutzeugen zu erforschen und ein "Martyrologium Germanicum" des 20. Jahrhunderts anzulegen. Aufgenommen werden dort Opfer unter Hitlers Terror (der weitaus größte Anteil), aber auch Opfer des Kommunismus, Jungfräulichkeitsmärtyrer und Missionare, die bewußt für ihren Glauben gestorben sind. Bisher sind knapp 350 deutsche Märtyrer der NS-Zeit bekannt, darunter 148 Diözesanpriester, 69 Ordensleute und 128 Laien, Frauen und Männer, verheiratete und unverheiratete Angehörige unterschiedlichster Berufe und sozialer Schichten.

Text-Quelle: "TAG DES HERRN" Ausgabe 04 von 1998

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